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Trends Vertragsmanagement

Die elektronische Akte in der weltweiten Legal-Organisation

DiALOG-Award Preisträger 2016

Dr. Michael J. Schmitt, Senior Corporate Counsel bei der Henkel AG & Co. KGaA
Veröffenlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR ENTERPRISE INFORMATION MANAGEMENT | MÄRZ 2017

Das Düsseldorfer Dax-Unternehmen Henkel ist mit seinen drei Unternehmensbereichen Laundry & Home Care, Beauty Care und Adhesive Technologies international aufgestellt. Mehr als 50.000 Mitarbeiter arbeiten im Henkel-Konzern. Persil, Pril, Schwarzkopf, Pattex und Loctite gehören zu den bekanntesten Marken. Die Aufgaben der Rechtsabteilung sind vielfältig: Neue Produkte und Werbekampagnen müssen rechtlich bewertet werden und mit Lieferanten und Kunden sind Verträge abzuschließen. In einem Konzern mit rd. 200 Konzerngesellschaftenund M&A-Aktivitäten fallen zudem zahlreiche gesellschaftsrechtliche Projekte und Fragestellungen an.

Schon seit langem werden Verträge und wichtige Unterlagen elektronisch gespeichert. Seit 2007 wird
dafür ein Legal Contract Management System („LCM“) genutzt. Es handelt sich um eine webbasierte, weltweit verfügbare Datenbank, auf die die Mitglieder der Rechtsabteilung und weitere Mitarbeiter der Henkel-Gruppe nach einem definierten Berechtigungssystem Zugriff haben. Derzeit wird die Datenbank von rd. 2.600 Usern genutzt. Die Vorteile eines solchen Systems liegen auf der Hand: Verträge sind jederzeit von jedem Ort der Welt verfügbar. Das Heraussuchen, Scannen und Versenden der Originalverträge entfällt. Über Kündigungsfristen informieren automatisch per E-Mail versandte Erinnerungen. Vertragsverantwortliche sind leicht zu identifizieren und bei Fragen ansprechbar. Beziehungen zwischen Verträgen können vermerkt werden. Auswertungen der Art „Welche Verträge bestehen mit Lieferant X oder Kunden Y?“, sind möglich. Alle diese Vorteile können nur bei einer konsistenten und vollständigen Erfassung der wesentlichen Verträge
realisiert werden. Ein bei der Rechtsabteilung angesiedeltes kleines „Admin-Team“ sorgt für die administrative und technische Unterstützung.

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Die guten Erfahrungen mit dem Vertragsmanagement haben uns darin bestärkt, auch für die Aktenführung selbst eine elektronische Alternative zu entwickeln, die seit April 2015 in Düsseldorf eingesetzt wird. Die Aktenführung erfolgte bis dahin überwiegend in Papierform. Die Vorteile von Papier sind nicht zu leugnen: Papierakten sind ohne technisches Hilfsgerät lesbar und an einem bestimmten Ort langfristig verfügbar; handschriftliche Notizen auf Dokumenten sind schnell erstellt. Eine Papierablage stößt aber auch an Grenzen. Zum einen durch die schiere Masse an Dokumenten. Allein in Düsseldorf fielen pro Jahr geschätzt 20.000 Akten mit rd. 290.000 Blatt Papier an. Das entspricht rd. 1,7 Regalkilometern im Jahr. Es geht also um Papier- und Druckkosten sowie um Archivraum. Es geht aber auch um Verwaltungsaufwand. Darüber hinaus lassen sich mit einer reinen Papierablage die Vorteile der elektronischen Ablage (z.B. weltweiter Zugang, Vermeidung der Doppelablage, Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Akte) nicht realisieren, und dies, obwohl sich durch die Nutzung von E-Mail & Co. der weit überwiegende Teil der Kommunikation bereits elektronisch abspielt.

Die Nutzung eines E-Mail-Programms und eines gemeinsamen Laufwerks als „Quasi-E-Akte“ reichen nicht aus. Sie erfüllen nicht die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Aktenführung. Eine Übertragung eines E-Mail-Kontos auf einen neuen Verantwortlichen ist z.B. mit vertretbarem Aufwand technisch kaum machbar. Auf Laufwerken lassen sich zwar Dokumente ablegen, allerdings ohne zusätzliche Information oder Funktion. Ein Aktenkontext ist so nicht herzustellen. Außerdem wäre die Rechtsabteilung von der Archivierungsrichtlinie der IT-Abteilung abhängig. Die Daten sind so nicht dauerhaft in der Hand der Rechtsabteilung. Ziel war daher eine „echte“ elektronische Akte, die alle Funktionen der Papierakte mit den Vorteilen der elektronischen Akte vereint.

Nach der Bewertung verschiedener Lösungen fiel die Entscheidung auf einen integrierten Ansatz. Es wurde keine neue Software eingeführt, sondern das Vertragsmanagementsystem durch ein E-Akte-Modul erweitert. Bestehende Schnittstellen zur Gesellschaftsdatenbank oder zum internen Adressbuch konnten weiter genutzt werden. Die Verknüpfung von E-Akten und Verträgen war innerhalb der Anwendung möglich. Auch die Nutzer profitierten, weil sie weiterhin in derselben Oberfläche, nun aber mit der Zusatzfunktion E-Akte arbeiten konnten. Eine Umgewöhnung bzw. das Erlernen der Bedienung einer neuen Software entfiel. Umfangreiche Zusatzfunktionen erleichtern das Arbeiten, z.B. das Suchen in der Akte mit Hilfe von Suchbegriffen, die Volltextsuche in den abgelegten Dokumenten, eine Vorschaufunktion, automatische Erinnerungen und vieles mehr.

Die Papierflut lässt sich nur reduzieren, wenn neben der Ablage in der Datenbank auch die Bearbeitung von Vorgängen weitgehend am Bildschirm erfolgen kann. Auch längere Texte lassen sich z.B. durch Leseansichten, Anzeige in mehreren Fenstern, Nutzung von Lesezeichen, Suchfunktionen und Veränderung der Schriftgröße am Bildschirm lesefreundlich darstellen. Hilfreich ist auch ein Zweitbildschirm, der die Arbeitsfläche erweitert und z.B. die gleichzeitige Ansicht mehrerer Dokumente erleichtert. Ein weiterer Effektivitätsgewinn: In dem Maße, in dem die juristischen Kollegen bereit sind, ihre Ablage in der elektronischen Akte (ohne nennenswerten Zusatzaufwand) selbst zu erledigen, werden auf Assistenzebene Ressourcen für anspruchsvollere Tätigkeiten frei.

Nachdem die Einführungsphase in Düsseldorf erfolgreich verlaufen ist, wird derzeit die stufenweise weltweite Einführung vorbereitet. Das Goethe-Zitat „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ kann im Jahre 2017 wohl ergänzt werden: „Was man in der elektronischen Akte ablegt, besitzt man überall“.

Henkel ist weltweit mit führenden Marken und Technologien in drei Unternehmensbereichen tätig: Laundry & Home Care, Beauty Care und Adhesive Technologies.
Das 1876 gegründete Unternehmen hält mit mehr als 50.000 Mitarbeitern und bekannten Marken wie Persil, Schwarzkopf oder Loctite global führende Marktpositionen im Konsumenten- und im Industriegeschäft. Im Geschäftsjahr 2016 erzielte Henkel einen Umsatz von 18,7 Mrd. Euro und ein bereinigtes betriebliches Ergebnis von 3,2 Mrd. Euro. Die Vorzugsaktien von Henkel sind im DAX notiert.
www.henkel.com

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