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Höchste Zeit für neue Ziele

aus der Reihe "Aufschlag & Return"
Veröffenlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR ENTERPRISE INFORMATION MANAGEMENT | 2015

Lieber Herr Schmerler,

ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich Sie als kompetenten Fachmann und Kenner der Szene rund um DMS und ECM seit Jahren schätze.

Vor drei Jahren haben Sie als Geschäftsführer des VOI – voice of information – Verband für Organisations- und Informationssysteme mit einem Paukenschlag der Öffentlichkeit Ihr neues Verbandskonzept vorgestellt. Die Fachwelt war verblüfft und gleichzeitig am Rätseln! Wie konnten Sie nur auf das neue Akronym EIM – Enterprise Information Management – setzen, wo Sie doch jahrelang ein Sprachrohr für DMS und ECM im IT-Informationszeitalter waren?

Dann wurden Sie 2014 auch noch Schirmherr des neu initiierten DiALOG-Award „Excellence with EIM“ und positionierten damit abermals Ihre Stellung als Trendsetter und Visionär. „EIM ... ein Denkanstoß der wirkt“ – so titulierte die letzte Ausgabe des DiALOG-Magazin – hat Sie wohl zu hart getroffen, dachte ich zuerst. Als ich dann noch von Ihrem neuen Vorhaben eines VOI-Jahreskongresses unter der Headline des DiALOG-Fachkongress für EIM im Jahresbrief des VOI las, packte ich all meinen Mut zusammen und schreibe Ihnen nun diese Zeilen.

Meinen Respekt und meine Begeisterung für Ihre Trendwende (?) haben Sie schon mal sicher. Als EIM-Experte und überzeugter Anhänger des Gedankens, dass EIM nicht „nur alter Wein in neuen Schläuchen ist“ frage ich Sie: „Sind wir Visionäre oder Spinner?“ Sie wissen wie ich, dass Motivation und Verbindlichkeit die Triebfedern bewußten und zukunftsrientierten Handelns sind. Gehen wir mit EIM zu weit? Oder sind Sie, wie ich, engagiert genug, um mit EIM die Potenziale der Zukunft im Umgang mit Wissen und Informationen klar und nachhaltig aufzudecken und zu entwickeln. Auch wenn es Pessimisten gibt, ist Enterprise Information Management mehr als nur ein Trend?

Ich freue mich auf Ihre Meinung und verbleibe in diesem (DiALOG) Sinne visionär verbunden.

Ihr Fan Steffen Schaar

Gut serviert, lieber Herr Schaar, aber der Ball ist noch im Spiel! Das kann dann noch sehr spannend werden, genauso wie die Entwicklung von Enterprise Information Management (EIM). Fand beim VOI also vor zwei Jahren eine Revolution von ECM zu EIM statt? Nein, es war eher reine Evolution und diese vollzieht sich schon seit Jahren.

Betrachten wir dazu zunächst doch die Entwicklung, die Enterprise Content Management (ECM) seit seiner Erschaffung erfahren hat. Es war Ende der 1990er Jahre als sich der internationale Dachverband der Branche AIIM Association for Image and Information Management neu formierte und beschloss, durch einen einprägsamen einheitlichen Begriff die Wichtigkeit des Umganges mit digitalen Dokumenten allen Anwendern zu verdeutlichen und gleichzeitig eine mittelfristige Vision für die Branche zu eröffnen. Damals wurde der Markt noch allein von Begriffen wie Archivierung, Dokumenten-Management und Workflow beherrscht. Es war aber bereits erkennbar, dass zukünftig nicht nur unstrukturierte Dokumente, damals zusammengefasst unter dem Begriff Schriftgut, sondern zunehmend auch schwach strukturierte Dokumente, damals Web-Content genannt, in den Vordergrund rücken würden.


Es lag also nahe, insgesamt von „Content“ als verbindenden Begriff zwischen diesen Informationsobjekten zu sprechen. Dass es sich ausschließlich um Lösungen für Unternehmen handelte wurde schließlich durch das Wort „Enterprise“ angezeigt. Die zu Anfang 2000 auch vom VOI übernommene ECM-Architektur beschrieb schon damals den Lifecycle von der Erfassung über die Verwaltung, die Bereitstellung und die Bewahrung von Dokumenten,
die in einer einheitlichen Repository-Struktur verwaltet wurden („Management“). Der so entstandene Begriff ECM fand so sehr schnell Eingang in den internationalen Markt. Gleichwohl gab es aber viele kritische Stimmen, viele davon auch in Deutschland. Die damaligen ECM-Gegner wollten an den Begriffen Archivierung und Dokumentenmanagement unbedingt festhalten, weil sie diese für einprägsamer hielten. Viele taten das zum Teil auch noch über Jahre. Hierzu gehörten auch interessanter Weise Unternehmen, die jetzt - 15 Jahre später – als EIM-Gegner an dem „einprägsamen“ Begriff ECM festhalten wollen. Diese Meinungsvielfalt hat dem Markt aber offensichtlich nicht geschadet. Das Thema war – und ist auch zukünftig – wichtig genug. Auch ECM hat sich in den zurückliegenden Jahren natürlich weiterentwickelt. Die Verbindung von unstrukturierten und schwach strukturierten Dokumenten wurde mit der Zeit um weitere Arten von digitalen Informationsobjekten erweitert. Als Beispiel sei hier E-Mail-Management angeführt, das heute einen sehr wichtigen Bestandteil von ECM-Systemen bildet. Aber auch immer mehr Informationsobjekte aus dem Internet und nicht zuletzt auch strukturierte Daten werden in ECM-Systeme integriert, weil dies den Anforderungen der Kunden entspricht.

Nicht ohne jeglichen Stolz kann man aber heute sicherlich behaupten, dass die zu Anfang 2000 gesetzten Ziele von ECM zumindest im technischen Sinn inzwischen vollständig erfüllt wurden. Ist es also Zeit für eine neue Revolution, die EIM-Revolution? Mitnichten! Es ist aber (höchste) Zeit, sich neue Ziele zu setzen und den Anwendern eine neue Vision zu eröffnen. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass besonders im Beraterumfeld schon seit fast 10 Jahren über eine logische Fortführung von ECM diskutiert wird. In diesem Zusammenhang tauchte dann in den USA schon sehr früh der Begriff Enterprise Information Management (EIM) auf.

Zunächst ging es dabei um eine Zusammenfassung von ECM und BI (Business Intelligence). Mit der Zeit erkennt man aber die Notwendigkeit für zahlreiche weitere Funktionen. Einige der Wichtigeren seien hier aufgezählt: Einheitliche Informationsrepositories und Berechtigungsmanagement, durchgängige IT-Governance und IT-Compliance, ganzheitliche Prozesse und zentrales Management. Bezogen auf alle relevanten Informationen im Unternehmen, also auf Dokumente und auf Daten. Diese Funktionen gehen weit über das ECM-Modell hinaus, auch wenn sie die grundliegenden Definitionen aus Anfang 2000 weiter beinhalten. Das ist auch gut so, denn ECM hat sich schließlich bewährt. Den Herausforderungen des auf uns zurollenden Informations-Tsunami im Internet-Zeitalter ist aber ECM alleine in Zukunft nicht mehr gewachsen. Die nächste Evolutionsstufe heißt deshalb EIM.

Die umfassenden Funktionen von EIM hat die Firma PROJECT CONSULT im Jahr 2013 in der folgenden Definition zusammengefasst: „Enterprise Information Management (EIM) erfasst, verwaltet, speichert, bewahrt und stellt bereit ganzheitlich und übergreifend alle Formen von Informationen eingebunden in Unternehmensprozesse ohne Unterschied des Formates, der Quelle, des ursprünglichen Erzeugers, von Ort, Device, Medium und Zeit und vom ursprünglichem Nutzungsmodell.“

Es bleibt noch viel zu tun, um die in der Definition gesetzten Ziele vollständig zu erreichen. Eines ist aber jetzt schon klar, wir werden dafür nicht noch einmal 15 Jahre Zeit bekommen. Anders als vor 15 Jahren gilt es heute aber auch einen weiteren Faktor zukünftig besser zu berücksichtigen, den Menschen selbst. „Geschäftsprozess-Denken nicht IT-Denken“ muss hierbei zum Leitbild werden. Nur dann kann Enterprise Information Management (EIM) zu einem Daten, Informationen ud Wissen umfassenden Qualitätskonzept zur Verbesserung der Unternehmensprozesse werden. Wenn wir dann schaffen, dann mag man uns gerne als Spinner bezeichnen.

Ich glaube, mein Return war noch auf der Linie. Es geht also weiter!

Ihr Peter J. Schmerler,
Geschäftsführer des VOI - Verband Oranisations- und Informationssysteme e.V. - voice of information